Flexitarier? Fleisch ist besser in Maßen statt in Massen

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Flexitarier? Was ist denn das schon wieder für ein Blödsinn?

Ich gebe zu: ich vermeide inzwischen Diskussionen, wo es um´s Essverhalten von anderen Leuten geht und das aus folgendem Grund: Es ist noch schlimmer als beim Thema  Tattoos: hier kennt nicht nur jeder irgendjemanden, der ein Tattoo hat oder einen „voll guten Tätowierer kennt“ und ist deshalb Experte, es ist noch viel schlimmer:

Jeder auf diesem Planeten hat schon einmal gegessen und das macht ihn quasi schon zum Ernährungswissenschaftler: man betrachte sich nur einmal die Reaktionen  wenn irgendjemand sein Essen postet, oder im Freundeskreis erzählt, dass er oder sie sich ab jetzt vegetarisch oder gar vegan ernährt:

Bei einem schönen Steak findest – je nach Freundeskreis – fast unter Garantie jemanden, der Dir „Fleisch = Mord“ darunter kommentiert. Schreibt oder erzählt jemand dass er vegetarisch oder vegan lebt, kommt garantiert ein Allesfresser um´s Eck und erklärt dem Vegetarier oder Veganer, dass das nicht gesund sein kann und  dass wir durch Fleischkonsum erst zum Menschen wurden – wie das z.B. hier steht:

https://www.welt.de/geschichte/article153842714/Nur-durch-Fleischkonsum-war-die-Menschwerdung-moeglich.html

Im Gegensatz dazu kontert der Vegetarier oder Veganer dann damit, dass unser Körper wohl eher nicht für Fleischkonsum gemacht worden ist, wie es z.B. hier steht:

https://www.regenbogenkreis.de/blog/inspiration/der-mensch-ist-anatomisch-kein-fleischfresser 

An diesen Diskussionen habe ich mich früher selber gerne regelmäßig beteiligt: Mir war und ist z.B. bis heute nicht klar, warum jemand aus Überzeugung jedes Stück Käse oder ein Honigbrot verweigert (…weil da werden die Bienen ausgebeutet…), gleichzeitig aber kein Problem damit hat, seine Klamotten bei Primark zu kaufen, Kokain zu schnupfen an dem literweise Blut der Drogenkartelle klebt oder ein Smartphone zu besitzen, welches unter fragwürdigen Bedingungen in Fernost produziert wird – mir persönlich sind Menschen nicht weniger wichtig als Tiere: darum habe ich ja z.B. auch Patenkinder bei Plan oder bin Mitglied bei Terre des Femmes – aber darum geht es jetzt nicht:

Eines haben diese Diskussionen leider immer gezeigt: sie führten zu gar nichts, außer zu verhärteten Fronten – zudem bin ich ein großer Fan von „leben und leben lassen“ – aber kann man denn von „leben lassen“ reden, wenn beim Fleisch zwangsläufig das sterben dazu gehört – oder bei tierischen Produkten die Tierhaltung?

Persönlich finde ich Vegetarismus und Veganismus grundsätzlich erst einmal & ausschließlich äußerst löblich: Wer sein Leben auf die Reihe bekommt, ohne anderen Lebewesen dabei zu schaden, ist in dieser Hinsicht ein toller Mensch.

Dass diese Ernährungsform jedoch fieserweise Umweltprobleme aufwerfen kann (!) – siehe am Beispiel der Avocado – https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/umweltkiller-superfood-100.html – ist da fast schon gemein, soll hier aber jetzt auch nicht das Thema sein:

Ich persönlich bin jedoch für diese Ernährungsformen einfach nicht gemacht: es mag gemein und egoistisch sein, aber die Vorstellung, nie mehr in diesem Leben einen leckeren Wurstsalat, die traditionellen Weißwürst im Airbräu am Flughafen vor einer Fernreise oder eine Pizza beim Italiener um´s Eck essen zu dürfen (wegen der Milch in dem Käse für den eine Kuh umgerechnet zwei Minuten ihres Lebens im Kuhstall oder auf der Weide verbringen musste… ihr wisst schon…) macht mir Angst:

Ich hatte und habe ja mit so manchem Verzicht überhaupt kein Problem – Beispiele gefällig?

1. Rauchen: nachdem ich etliche Jahre geraucht habe, habe ich irgendwann auf den Wochenend- und Party-Raucher umgestellt und habe diesen Blödsinn dann irgendwann ganz sein lassen. Keine Ahnung mehr wie viele Jahre das her ist, ich denke es dürfte im Jahr 2009 oder 2010 gewesen sein.

2. Alkohol trinken: Nach einer durchzechten Nacht wachte ich verkatert im Oktober 2012 auf und schwor mir „nie wieder“. Seit diesem Tag habe ich das Alkohol trinken eingestellt, wenn auch nicht ganz so leicht wie das sinnlose Rauchen: Alkohol ist immerhin ein hervorragender Geschmacksträger und ein guter Wein, Whisky oder Cocktail ist an und für sich schon etwas feines – aber unter´m Strich:  ebenfalls easy.

3. Fast-Food-Verzicht: Geht immerhin schon einmal in Richtung „Essen“ und ich habe das hier schon einmal ausführlich erläutert:  kein Fast-Food mehr (zumindest innerhalb Deutschlands) – auch ganz leicht, schon seit 2010.

Aber kompletter Verzicht auf Fleisch bzw. tierische Produkte – das ist mit mir nicht zu machen, da bin ich zu egoistisch und auch bei allen anderen Produkten nicht radikal/konsequent genug: wenn mir heute ein T-Shirt gefällt, dann kaufe ich das wegen dem Design, auch auf die Gefahr hin dass es vermutlich in Fernost billig produziert wurde – und wenn ich damit leben kann (oder oftmals sogar: muss), dann wird halt wegen mir auch einmal ein Fisch gefangen, ein Huhn im Käfig gehalten oder sogar geschlachtet.

Nach unserem Trip nach Malta im Oktober 2018 – mit viel zu viel Burgern & Steak – hatte ich Fleisch so über, dass ich mir vorgenommen habe, es den November einmal mit fleischloser Ernährung zu versuchen. Dass wir zwei Wochen später mit Slayer in Spanien waren und quasi überall leckerer Schinken herumgehangen ist, war dann einfach Pech:

Wenn ich mir etwas vornehme, dann halte ich das auch, entsprechend gab es im November kein Fleisch – und ein großes Problem war es auch nicht: es gibt auch genügend leckere vegetarische Tapas – und beim meinem Stamm-Türken esse ich inzwischen halt Seitan-Teller statt Döner-Teller – schmeckt fast ebenso gut und ich fühle mich hinterher bei weitem nicht so träge und vollgefressen.

Meine beiden vegetarisch bzw. vegan lebenden Mitarbeiterinnen haben mein Projekt „Fleischverzicht“ dann mitbekommen und natürlich unterstützt – und als ich ihnen dann erzählt habe, dass ich aber an Weihnachten nicht meine Mutter bitten werde, mir für das traditionellen Fondue ein paar Tofu-Stücke zurechtzulegen, ich hin- und wieder einfach eine Pizza mit Salami oder ein gutes Stück Fleisch – idealerweise wenigstens aus artgerechter Haltung – verspeisen möchte, sagten sie mir etwas über mich, das ich bis dahin noch nicht einmal selbst über mich wusste:

Du bist Flexitarier„.

Was bin ich? Dir geb ich gleich….“ …ok, erst einmal gegoogelt:

Flexitarier sind laut Wikipedia Menschen, die nur selten und nur ausgewähltes Fleisch essen. Der Duden schreibt zum Thema Flexitarier: „Person die sich überwiegend vegetarisch ernährt, aber auch gelegentlich, hochwertiges biologisch produziertes Fleisch zu sich nimmt“.

Das klingt ziemlich exakt nach dem, wie ich mein weiteres Leben gestalten will – und vor allem auch kann: Ich habe gemerkt, dass mein Körper in der fleischlosen Zeit verstärkt nach Fisch oder nach ein paar Wochen regelrecht nach einem Stück Fleisch geschrien hat – bei anderen mag das anders sein, bei mir ist es halt genau so. Dass das Fleisch dann wenigstens hochwertig und aus artgerechter Haltung sein sollte, versteht sich von selbst: ich kaufe ja ohnehin fast alles im Bio-Supermarkt: Das muss man sich zwar leisten können bzw. wollen, geht aber mit der gesparten Kohle von Alk & Kippen ganz einfach.

Fleischfresser werden sich denken „jetzt spinnt er ganz und mutiert zum Öko“ – Hardcore-Vegetariern oder Veganern wird das zu inkonsequent und egoistisch sein – denn jedes wegen mir gehaltene oder getötete Tier ist eines zu viel. Da es mir – wie eigentlich immer – aber Scheißegal ist, was andere von mir und meiner Art zu Leben halten, so lange ich mich dabei wohl fühle, bin ich halt jetzt – seit 01. November 2018 – etwas, von dem ich bis vor ein paar Wochen noch gar nicht wusste dass es das gibt: ein Flexitarier.

Für mich fühlt sich das gut und richtig an: mein Körper ist deutlich fitter, bei einem durchschnittlichem Fleischkonsum von rund 60 Kilo pro Kopf und Jahr in Deutschland 

https://de.wikipedia.org/wiki/Fleischkonsum_in_Deutschland

habe ich mir bis heute immerhin schon rund 10 Kilo erspart – das sind immerhin schon einmal ein paar Hühner oder ein vierteltes Lamm. Zudem gehe ich davon aus, dass ich bis November eher deutlich überdurchschnittlich viel Fleisch gegessen habe.

Vorgenommen habe ich mir, alle zwei Wochen einen Fleischtag zuzulassen, das funktioniert ganz leicht – ich werde euch über die Entwicklung auf dem laufenden halten – zudem habe ich schon die ersten Berichte von vegetarischen bzw. veganen Restaurants in München quasi geschrieben – ohne euch dabei zwanghaft missionieren zu wollen.

Stephan Tempel

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