Die große MVV-Reform – was für eine Lachnummer

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Alle feiern die große MVV-Reform – aber schauen wir uns das ganze doch etwas genauer an: Es ist ja nicht so, dass ich die Reform an und für sich nicht gut finden würde: Es gibt zukünftig nicht mehr Ringe und Zonen, sondern nur noch Zonen. Es wird für viele Personengruppen deutlich günstiger – das ist auf jeden Fall schon mal Lobenswert, wenn man die Leute wirklich vom Auto weg- und zu den Öffentlichen Verkehrsmitteln bringen möchte.

ABER: Warum ist in der Weltstadt mit Herz nicht das möglich, was in anderen Städten zum Teil schon seit Jahrzehnten Standard ist?

– Abrechnung für die Strecke, die tatsächlich gefahren worden ist
– Zutritt zum Bahnsteig nur für die, die tatsächlich eine Fahrkarte haben, das hat zwei Vorteile:

1. Man spart sich die – meist – grantigen Kontrolleure und führt die Leute gar nicht erst in Versuchung, ohne Ticket zu fahren.
2. Vergessliche Schussel wie ich, die über 15 Jahre eine MVV-Jahreskarte hatten und auch heute noch wie selbstverständlich ohne Karte in den Zug steigen, haben zukünftig keine Möglichkeit es zu vergessen. 

3. Niemand wird mehr zum Schwarzfahrer, weil er seine Freundin zum Bahnsteig bringt und auf dem Rückweg kontrolliert wird – war ja erst vorletzte Woche wieder in den Zeitungen. 

In London gab es dieses System – mindestens – schon 1992, damals war ich das erste mal mit den Pfadfindern dort – vor über 26 Jahren. 1998 in Paris bei der Fußball-WM bin ich dort über das gleiche System gestolpert. Ähnliche Systeme habe ich auf meinen Reisen überall auf der Welt erlebt – egal ob in Istanbul, Bangkok, Hongkong… in vielen Metropolen dieser Welt wird zudem inzwischen eine Karte verwendet, mit der man zudem auch noch Kleinbeträge bei diversen Supermärkten oder den Fastfoodketten zahlen kann – niemand muss Angst vor Überwachung haben, denn die Karte kann man ohne Registrierung kaufen und aufladen.

 London selbst ist wieder einen Schritt weiter: neben dieser Karte (Oyster-Card – in London gilt die aber nur zum fahren, nicht zum einkaufen) kann man einfach die für kontaktloses zahlen geeignete Kreditkarte beim Betreten des Bahnsteiges an die Schranke halten – und wenn man an seiner Station angekommen ist, öffnet man damit wieder damit die Schranke und – simsalabim – der richtige Betrag für die Fahrt wird abgezogen. Fährt man mehrmals an einem Tag auf diese Weise, stoppt das System automatisch die Abbuchung, wenn der Betrag einer Tageskarte erreicht ist…

…und in München feiert die Presse den MVV und dieser sich selbst, weil ab Dezember 2019 das ultra-komplizierte System jetzt nicht mehr ganz so kompliziert ist – wir aber weiterhin Schwarzfahren können, weiterhin nicht die exakt gefahrene Strecke bezahlen und wir weiterhin labbrige Streifenkarten in Stempelautomaten stecken werden… und wir werden auch weiterhin Artikel in den Zeitungen haben, dass jemand versehentlich mit einer alten Streifenkarte unterwegs war, die neue je Streifen 10 Cent teurer wäre und derjenige deswegen als Schwarzfahrer behandelt wurde.

Ganz tolle Reform, die da ab Dezember 2019 in München beim MVV greift. Zum Fremdschämen.

Stephan Tempel

PS: einen ähnlichen Artikel hatte ich bereits im Februar in diesem Jahr – vor der Reform verfasst – das war damals hier.

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