Protestaktion gegen Benzinpreise in Deutschland

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Die Deutschen und ihr Sinn für Verhältnismäßigkeit sind manchmal etwas schwierig zu verstehen! Beispiel gefällig?

Gesundheitsreformen im 2-3-Jahres-Zyklus vor 2009: Bürger schreibt Leserbriefe an Zeitungen.

Gesundheitsreformen im 2-3-Jahres-Zyklus nach 2009: Bürger meckert in den sozialen Medien.

Anhebung des Rentenalters & Senkung des Rentenniveaus 2003/04: Bürger schreibt Leserbriefe.

Verabschiedung Nichtraucherschutzgesetz: Menschen gehen auf die Straße! Vereine und Parteien werden gegründetI! Initiatoren von Volksentscheiden öffentlich diffamiert, angegriffen und ins Exil gezwungen!

Wir sehen: Manchmal ist es auf den ersten Blick etwas schwierig zu verstehen, welche Prioritäten in der Bevölkerung gesetzt werden. Auf den zweiten Blick allerdings auch.

Doch nun schlagen wir ein neues Kapitel auf: Während der Ölpreis sich global gerade an einem Kurstief befindet, erscheinen hier an den Zapfsäulen inzwischen Zahlen, die gerne zu einem zweiten Blick einladen. Und zu einem Dritten. Und die Reaktionen darauf?

Natürlich, wie inwzischen so viele gute Storys, beginnt alles mit… Richtig: Meckern auf Facebook!
Die Stimmung schaukelt sich hoch, die Menschen gehen auf die Straße – ENDLICH PASSIERT ETWAS!!! Hunderttausende neongelbe Warnwesten überall, Barrikaden aus Autoreifen werden errichtet, LKW und PKW werden genutzt um Verkehrswege und Autobahnen dicht zu machen… in Frankreich

Und in Deutschland?

Hier hat „man“ auch eine tolle Idee: Um den Ölmultis mal so richtig in die Eier zu kneifen schickt man einen Kettenbrief durch den gesamten blauen Cyberspace, in dem man sich gezielt dazu verabredet, an einem MONTAG NICHT ZU TANKEN!
Selbst bis ins Radio und diverse Zeitungen hat es diese Schnapsidee geschafft – ja, sogar mehr oder minder seriöse Medien berichten ausführlich darüber!

Für viele mag dieser erste Schritt in den gewaltlosen Widerstand ja eine tolle Sache sein. Klar, warum auch effektiv seinen Unmut wie in Frankreich kundtun wenn Demokratie auch bequem von zuhause aus geht? Aber analysieren wir diese „schlaue“ Idee doch mal ein wenig genauer:

Was passiert nun? Die Verfechter dieser Initiative freuen sich, weil die Tankstellen am Montag kein Geschäft machen werden. Oder zumindest sehr wenig. Das wird stimmen. Und wird ihnen das wehtun? Vermutlich eher nicht. Denn werden nun weniger Kilometer gefahren? Ganz sicher nicht, denn auch wenn uns der Spritpreis echt an die Nieren und den Geldbeutel geht – bei dem Sauwetter mit dem Fahrrad oder gar den Öffentlichen fahren?! Sorry, da müsste der Protest schon im August stattfinden *hüstel*

Abgesehen davon, dass ein 24-Stunden-Tankverzicht den Umsatz nicht verringert sondern bestenfalls verschiebt, bekommen die Tankstellenbosse (Surprise: Auch die haben Facebook, Radio und Internet!) nun schon im Vorfeld die Information zugespielt, an welchen Tagen ihre Zapfsäulen eher stark frequentiert sein werden. Was ist die logische Konsequenz? Vermutlich wird der Spritpreis Samstag Nachmittag / Sonntag und dann wieder Dienstag Früh bis Mittwoch Abend eher hoch ausfallen. (Gut, für alle die nicht an Wirtschaftliche Verschwörungstheorien glauben: Ich weiß, der ist an den US-$ gekoppelt. Der US-$ bekommt aber auch offensichtlich seit Jahren unsere Ferientermine und Feiertage mit, da wird dieser Kettenbrief nicht unbemerkt an ihm vorbeigehen!)

Dieser Protest ist von Anfang an dazu verurteilt ein Rohrkrepierer zu werden, so leid mir das auch tut!

Aber um nicht als Spielverderber dazustehen, an dieser Stelle ein kleiner Tipp: Lasst halt einfach die Kiste mal stehen! Natürlich ist es bequem, mit dem Auto zu fahren – und es macht (je nach Auto) Spaß! Aber man muss nicht wegen jeder Wurstsemmel ins Auto steigen und zum nächsten Supermarkt fahren! Man kann die Kinder auch einfach in den Schulbus stecken, man muss sie nicht bis ins Klassenzimmer bringen! Einfach mal das Rad benutzen und/oder sich selbst etwas besser organisieren – dann spart man sich mehr Kohle und macht mehr für die Umwelt als irgendwelche sinnfreien Proteste, die nichtmal als Strohfeuer taugen.

Thomas Fechner

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