Diesen Text schreibe ich in der Winterpause in der Saison 2018/19, wenige Tage nach den wichtigen Punkten unseres TSV 1860 gegen den 1. FC Kaiserslautern: ich muss gestehen, ich verstehe die Löwen-Welt nicht mehr und es macht mir immer weniger Spaß: das Problem ist nicht, dass wir in der 3. Liga deutlich näher an einem Abstiegsplatz als an einem Aufstiegsplatz stehen – ein jeder der auch nur ein bißchen Ahnung von Fußball hat, konnte genau damit rechnen. Was mich viel schlimmer trifft, ist der gegenseitige respektlose Umgang der Löwenfans miteinander, wobei der so wohl überwiegend nur in den sozialen Medien stattfindet – im Stadion ist dieses Phänomen kaum oder gar nicht zu beobachten.
Doch bevor wir uns dem ganzen näher widmen, möchte ich noch einmal eine Zeile aus dem Sechzger-Marsch zitieren: „…die Kameradschaft, ja die Kameradschaft, die macht bei Sechzig alles aus…“.
Kommen wir jetzt zu den sozialen Medien – und natürlich – einem ganz bestimmten Internet-Blog: Egal, welches Thema gerade ansteht – sei es ein Spielertransfer, eine Verletzung, ein Ergebnis der Nachwuchs-Löwen oder die Verabschiedung der Löwenstüberl-Wirtin – nach spätestens fünf Beiträgen landet man bei den immer gleichen Hass-Tiraden: Präsident Reisinger wird für das übel der Welt im allgemeinen und des des TSV 1860 im besonderen verantwortlich gemacht – und die Leute die ihm zur Seite stehen oder das ganze auch nur neutral sehen, bekommen ebenfalls ihr Fett ab:
Da ist dann die Rede vom „schlechtesten Präsidenten den wir je hatten“, von „Ruinenanbetern“ – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Ganz besonders schlimm finde ich auch die beliebte Bezeichnung der „Ewiggestrigen“ – ein Bericht, mit dem heutzutage Neo-Nazis und Rassisten bezeichnet werden – und das bei Löwen untereinander. Mit dem Internet-Blog, der das ganze befeuert beschäftigen wir uns ein anderes Mal, das führt jetzt zu weit.
Bevor wir uns den Fakten zu Reisinger widmen, habe ich einfach nur einen Wunsch: Dass ein jeder Löwe Respekt vor seinem Gegenüber und seiner Meinung hat: Give Respect – get Respect! Es gibt zigtausende Meinungen zu 1860, jeder ist auf anderen Wegen zu Sechzig gekommen, jeder setzt seine Prioritäten anders – dementsprechend darf es auch in einem Verein unterschiedliche Meinungen geben. Was Sechzig für mich ist findet ihr hier – den Text habe ich einen Tag nach dem Abstieg 2017 geschrieben. Was das besondere an uns ist, habe ich einen Tag nach dem Aufstieg 2018 geschrieben – und zwar hier. Jeder hat eine andere Definition von 1860 und das ist auch vollkommen, ok, aber: Man sollte eines nie vergessen: auch wenn Du einen Scheiß-Tag hattest, weil z.B die Löwen verloren haben, der Chef oder die Kunden Dich grundlos angeschnauzt haben oder dir der (außer-)eheliche Beischlaf verweigert worden ist: Dein Gegenüber, Dein Präsident, Dein Diskussionspartner… er ist nicht „nur“ ein Mensch dem man mit Respekt begegnen sollte, er ist ein Löwe, genau so wie Du: begegne ihm mit Respekt, Diskutiere mit ihm oder über ihn auf Augenhöhe, bleibe sachlich und vermeide Schimpfwörter – getreu unserem Sechzgermarsch:
„Die Kameradschaft, ja die Kameradschaft – die macht bei Sechzig alles aus“.
Das ist das eine, mir das wichtigste. Das andere sind die wichtigsten Fakten zum Präsidenten des TSV 1860 – Robert Reisinger -, den Ruinenanbetern und den Ewiggestrigen – und die folgen jetzt hier in aller Kürze:
1. Robert Reisinger hat die Allianzarenaverträge nicht unterzeichnet.
2. Robert Reisinger hat unsere Anteile an der Allianzarena nicht zum Schleuderpreis verkauft.
3. Unter Robert Reisinger sind wir niemals abgestiegen.
Bis dato sind wir uns hoffentlich einig, dass Reisinger nichts für die desaströse (finanzielle) Situation konnte und kann. Weiter geht´s:
4. Robert Reisinger hat den Verein übernommen, als sich alle anderen feige aus dem Staub gemacht hatten.
5. Dass für die 4. Liga das Sechzgerstadion die einzige vernünftige und realistische Option war – darüber gibt es hoffentlich keine zwei Meinungen.
6. Unter Robert Reisinger gelang der direkte Wiederaufstieg.
7. Die Zuschauerkapazität des Sechzgerstadions wurde bereits erhöht, eine weitere Erhöhung wird derzeit geprüft.
8. Robert Reisinger ist der demokratisch bestätigte Präsident des höchsten Organs unseres geliebten Vereines – der Mitgliederversammlung – und das mit einer annähernden 2/3-Mehrheit. Dieses Ergebnis sollte jeder Demokrat unter den Löwen respektieren und akzeptieren.
Ja, ca. 1/3 hat ihn nicht gewählt. Aber auch von diesem Drittel erwarte ich einen fairen, sachlichen Umgangston. Dass wir normalerweise alle an einem Strang ziehen sollten – getreu dem oft und gerne verwendeten Hashtag #zamhoidn – ist ein anderes Thema.
9. Die Mitgliederzahl des TSV 1860 ist seit seinem Amtsantritt um ein paar tausend gestiegen – im Juli kratzte man sogar an der Bestmarke aus der Bundesliga-Saison 2001 unter Karl-Hein-Wildmoser, man hört sogar dass diese Marke inzwischen wohl übertroffen wurde.
Was wird Reisinger oftmals vorgeworfen:
1. Er könne nicht mit Investor Hassan Ismaik: Ja, der Kontakt nach Abu Dhabi ist nicht der Beste. Wir wollen aber festhalten: Mit Ismaik konnte allerdings kaum jemand (außer die ARGE – aber die habe ich ja hier schon beleuchtet) – und Ismaik hat inzwischen eindrucksvoll bewiesen, dass er zwar ein erfolgreicher Geschäftsmann sein mag, aber im Bezug auf den TSV 1860 außer
a) viel Geld verbrennen für den sportlichen Abstieg des TSV 1860 in Liga 3
b) den Geldhahn zudrehen für den Lizenzentzug und damit verbundenen Abstieg in Liga 4
c) unrealistischen Versprechungen – nicht nur – im Bezug auf den Stadionneubau mit Löwenzoo
d) einer massiven Fanspaltung, u.a. befeuert durch seine Anhänger
nichts erreicht hat.
Jetzt wird sich der eine oder andere denken „oben schreibt er noch etwas gegen Fanspaltung und unten haut er dann gegen Ismaik diese Vorwürfe raus“ – aber wenn ihr meinen Text aufmerksam lest, werdet ihr feststellen dass darin keine Schimpfwörter, sondern lediglich Fakten enthalten sind.
2. Er würde nichts in Sachen Stadionneubau unternehmen: Jungs, ganz ehrlich: Werft einen Blick auf die Tabelle und auf unsere finanzielle Situation: Natürlich könnte Reisinger uns irgendwo einen Stadionneubau versprechen – aber dann wäre der Punkt erreicht, wo ich ihn nicht mehr ernst nehmen würde. Würde er derzeit ein paar Millionen in die Hand nehmen, um irgendwo einen möglichen Neubau prüfen zu lassen – man würde ihn vermutlich in die Irrenanstalt einweisen lassen, mindestens aber mit Schimpf und Schande aus dem Amt jagen. Zurecht.
3. Er würde dem Verein schaden. Ein beliebtes Argument, braucht keine Fakten, dementsprechend schwer zu widerlegen. Mitgliederzahl und sportliche Situation sprechen eine andere Sprache.
Wo wir heute ohne Reisinger wären? Ich weiß es nicht… Wo wir heute ohne Ismaik und seine Kohle wären? Ich vermute in einer ähnlichen Situation, aber frei – und ohne den ständigen Last-Minute-Zirkus und diese unsägliche Fanspaltung – ein stolzer, unabhängiger Verein.
Wer meinen Verein aus taktischen Gründen hat absaufen lassen – und wir wissen alle noch vom Lizenzentzug 1982 oder sehen am Beispiel Waldhof Mannheim wie lange ein Wiederaufstieg dauern kann – der wird nie mehr mein Freund sein.
Stephan Tempel
PS: Der Text ist wie meine vorherigen Texte auf der Seite „bunte Ansichten“ archiviert – dort klappen auch die Verlinkungen.